Podiumsdiskussion

Zu Beginn der Podiumsdiskussion schilderte Galina Windisch, dass sie besonders ältere Migrant*innen zwischen 67 und 82 Jahren in ihren Informationsveranstaltungen erreicht. Sie berichtete von dem Wunsch der Teilnehmenden Informationen, unter anderem zu einer gesunden Lebensweise oder zum Umgang mit chronischen Krankheiten, zu erhalten. Es sei ihrer Meinung nach nicht möglich, mit jeder einfachen Frage zum Arzt zu gehen, doch man müsse seine Krankheit verstehen, um erfolgreich damit umzugehen und es fehle vielen Migrant*innen an Basisinformationen.

Diskutiert wurde weiterhin die hohe Bedeutung von Bewegung im Alter, die beispielsweise eine wichtige Rolle bei der Vorbeugung von Krebserkrankungen oder Depressionen spiele. Laut Prof. Dr. Julika Loss sei es wichtig, Ältere zu mehr Bewegung zu motivieren, doch auch ihre Ängste, wie zum Beispiel die Furcht/Bedenken, sich dabei zu verletzen, ernst zu nehmen. Viele Senior*innen kritisieren zudem etwa, dass die Gehwege in Gemeinden nicht sicher genug seien oder dass Ampelphasen nicht ausreichten, um eine Straße zu überqueren. Gesundheitsförderung müsse auch an diesen Alltagsbedingungen ansetzen. Ein Beispiel dafür aus Singapur sei eine Chipkarte, die Rentner*innen erhalten. Wenn sie diese an die Ampel hielten, verlängere sich die Grünphase. Diese einfache Maßnahme erleichterte Senior*innen sich zu bewegen.

Des Weiteren wurden Ansätze zur Gesundheitsförderung von Migrant*innen fokussiert: Wichtige zu berücksichtigende Punkte seien mögliche differierende kulturelle Vorstellungen als Ausgangspunkt von Gesundheit, sowie die Vermittlung von Wissen über Versorgungsstrukturen und der Zugang zu diesen. Ausführlich besprochen wurde der Aspekt der Hilfe zur Selbsthilfe anhand eines Projektes zur interaktiven Selbsthilfe für pflegende Angehörige von Demenzerkrankten. Im Rahmen des Projektes „Selbsthilfe aktiv“ kooperieren und vernetzen sich Selbsthilfeverbände und andere Organisationen miteinander, um strukturelle Maßnahmen zur Mitgliedergewinnung zu erproben. Ein Schwerpunkt liegt dabei auf Informations- und Aufklärungskampagnen unter Menschen mit Migrationshintergrund, da bei diesen ein anderes Verständnis hinsichtlich der Konzeption von Hilfsangeboten herrsche. Durch persönliche Gespräche mit Menschen mit Migrationshintergrund wurde sichtbar, dass sie nur professionelle Fachkräfte in der Lage sehen, ihnen zu helfen. Hier sei es wichtig, ihre Denkweise zu berücksichtigen, ihre Bedarfe zu analysieren und gemeinsam ein geeignetes Hilfsangebot zu finden. Prof. Dr. Dr. Hürrem Teczan-Güntekin erzählte hierbei von ihrer Erfahrung, dass Personen lieber über Instant-Messenger-Dienste kommunizieren würden als zu telefonieren. Die beschriebene Selbsthilfegruppe habe eine Messenger-Gruppe eingerichtet, über die kommuniziert werde. Zusätzlich hätten sich die Teilnehmer*innen entschieden, eine Pflegefachkraft zur Gruppe dauerhaft einzuladen. Sie könne Fragen beantworten und erklären, welche Möglichkeiten es gebe. Selbsthilfe dürfe nicht in starren Strukturen verstanden werden. Wenn etwas helfe, dann sollte dies zugelassen werden.

Die Bayerische Staatsministerin für Gesundheit und Pflege Melanie Huml berichtete von dem Modellprojekt „Vorbildliches Pflegewohnumfeld für Pflegebedürftige – DeinHaus 4.0“, das auch ein Angebot für ältere Menschen darstelle. Bei vielen älteren Personen bestehe der Wunsch möglichst lange im eigenen Wohnumfeld/der eigenen Wohnung zu bleiben. Dies sei leichter zu ermöglichen, wenn technische Hilfen, wie ein Herd, der sich bei einer gewissen Temperatur selbst abstelle oder die Funktion, dass beim Aufstehen morgens automatisch das Licht angehe, in Anspruch genommen würden. DeinHaus 4.0 zeige Musterwohnungen mit verschiedenen Möglichkeiten, die dann für jeden individuell angepasst werden könnten.

Prof. Loss betonte, dass aufsuchende und aktivierende Ansätze notwendig sind, um ältere Migrant*innen mit Projekten und Interventionen zu erreichen. Die soziale Komponente von diesen sei ein wichtiger Faktor, der zu beachten ist. Isolation führe nicht nur zu Depressionen, sondern könne auch das Leben verkürzen. Bei Interventionen sei es zweitrangig, ob man sich gemeinsam bewege oder gesund esse, im Fokus stehe das Treffen mit anderen. Hier müssten Strukturen geschaffen werden, damit auch Personen teilnehmen könnten, die nicht mehr so mobil seien. Zudem plädierte sie für ausführliche Bedarfserhebungen bevor Maßnahmen ergriffen würden. Unabhängig vom Migrationshintergrund gäbe es eine Vielzahl von Bedürfnissen. Vor der Implementierung müssten die Personen, die erreicht werden sollten, befragt werden, was sie benötigen. Dies sei zwar aufwendig und zeitintensiv, sei jedoch unerlässlich.

Galina Windisch betonte des Weiteren die Sprachbarrieren, die älteren Menschen den Zugang zum Gesundheitssystem erschweren würden. Auch wenn viele bereits lange in Deutschland gelebt hätten, reichten ihre Sprachkenntnisse oft nicht für einen Arztbesuch aus. Geld für einen Dolmetscher sei oft nicht vorhanden.

Sprachbarrieren wurden auch von Chantal Friebertshäuser beispielsweise in Bezug auf Beipackzettel bei Arzneimitteln angesprochen. MSD & DOHME GMBH als weltweit forschendes Unternehmen arbeite intensiv daran, auch mit Migrantenorganisationen, um die Beipackzettel verständlicher zu gestalten. Ein wichtiger Grund für die Zusammenarbeit mit dem MiMi-Projekt sei es, dass mit diesem das zur Verfügung gestellte medizinische Wissen, kulturell und sprachlich übersetzt werden könne.

Von den Teilnehmerinnen wurde insgesamt betont, wie wertvoll die Zusammenarbeit mit und wie sinnvoll die Arbeit von MiMi sei. Gemeinsam könne mehr erreicht werden. Durch MiMi-Mediator*innen werden Personen mit Migrationshintergrund kulturell spezifisch angesprochen, wodurch diese verständen, was Prävention und Gesundheitsförderung bedeuten, wo sie in Deutschland Hilfe finden würden und wie sie auch selbst aktiv zu ihrer Gesundheit beitragen können.